Liebe Linda, wir beginnen mit der Standard Frage: Welche Diagnose hat dein Baby bzw. dein Kind?

Meine Tochter hat die Fallot-Tetralogie.

zum Nachschlagen

Fallot’sche Tetralogie (TOF)

Wann hast du die Diagnose erhalten? Noch in der Schwangerschaft oder nach der Geburt?

Die Diagnose wurde in der 30. Schwangerschaftswoche gestellt.

Magst du uns erzählen, wie die Diagnose(n) festgestellt wurden und ob sie sich im Laufe der Zeit verändert haben?

Da das Baby in meinem Bauch recht klein und zierlich ausgemessen war und der große Bruder groß und schwer auf die Welt gekommen war, befürchtete meine Frauenärztin, dass die Versorgung meiner Tochter nicht optimal war. Um eine Unterversorgung auszuschließen, wurde ich erneut zum Feinultraschall geschickt. Als die Ärztin dort beim Schallen plötzlich still wurde und nicht mehr sprach, wussten mein Mann und ich, dass etwas nicht stimmte. Sie äußerte ihren Verdacht auf einen mittelschweren Herzfehler und wir wurden dann zur weiteren Diagnostik noch vor der Geburt nach Heidelberg in die Kinderkardiologie geschickt. Beim Ultraschall durch meine Bauchdecke wurde der Verdacht auf den komplexen Herzfehler dann bestätigt.

Wie war das bei dir und in deiner Familie nach der Diagnose? Magst du uns erzählen, wie du dich gefühlt hast? Wie bist du damit umgegangen?

Was zunächst unklar war, war die Frage, ob ein Chromosomendefekt den Herzfehler begleitet. Im Raum stand das DiGeorge-Syndrom, das häufig zusammen mit der Fallot-Tetralogie auftritt. Wir hatten uns zwar zu Beginn der Schwangerschaft für einen Bluttest entschieden, der die drei häufigsten Gendefekte ausschloss, das DiGeorge Syndrom war aber nicht mit getestet worden. Die Unsicherheit bis zur Geburt war furchtbar und richtig genießen konnte ich die Zeit bis zum ET nicht. Zu groß war die Sorge: Wie würde es dem Baby gehen? Würde es neben dem Herzfehler noch eine geistige Behinderung haben? Wie würde das unser Leben verändern?

Wie ist bei euch das Leben nach der Geburt gestartet? Intensivstation? Krankenhaus? Wie sah euer Leben aus, wie habt ihr euch organisiert?

Ida kam nach Geburtseinleitung pünktlich zum errechneten Termin mit einer schnellen und unkomplizierten Geburt zur Welt. Die Wehen nahmen so schnell Fahrt auf, dass ich nur ca. 30 Minuten vor der Entbindung im Kreißsaal war. Weil so wenig Zeit war in die Akte zu schauen, war der Hebamme nicht klar, dass das Baby herzkrank sein würde und u.U. direkt versorgt werden müsste. So war kein Kinderarzt bei der Geburt dabei. Im Endeffekt war das unser Glück, denn so konnten wir Ida, der es direkt nach Geburt gut ging und deren Sättigungswerte zunächst besser waren als erwartet, zunächst wenigstens ein paar Minuten für uns haben, bevor die Untersuchungen auf der Intensivstation starteten. Wir blieben einige Tage im Krankenhaus, durften dann aber ohne größere Einschränkungen nach Hause. Die große Herz-OP wurde für das Alter von 9 Monaten anvisiert.

Wie hast du nach der Diagnose wieder zu dir gefunden, was hat dir geholfen? Wie lange hat das in etwa gedauert? Kannst du uns sagen, was für dich das Schwierigste war, in der Zeit nach der Diagnose? Wie bist du damit umgegangen?

Insgesamt war die Zeit schwierig. Während mein Mann sich einfach nur freute und sich sicher war, dass das Baby bis auf den Herzfehler gesund war, konnte ich mich zunächst nicht entspannen. Ich schäme mich heute manchmal fast dafür, aber in den ersten Tagen fuhren meine Gedanken Karussell. Sind die Augen nicht besonders weit auseinander? Ist der Ohransatz tiefer als bei anderen Kindern? Beim Blick auf meine Tochter kamen unweigerlich Sorgen, dass es doch einen Gendefekt geben könnte und die Perspektive einer großen Herz-OP schnürte mir die Kehle zu. Die Tatsache, dass ich nicht einfach uneingeschränkte Freude empfinden konnte, wie „sich dass für eine frischgebackene Mama gehört“, belastete mich sehr

Ich habe trotzdem versucht, rational zu bleiben. Mir immer wieder vor Augen zu halten, was gegen einen Gendefekt sprach und wie hoch die Chance auf eine gelingende OP und ein nahezu normales Leben danach war. Je größer Ida wurde, desto mehr war ich mir sicher, dass genetisch keinerlei Auffälligkeiten bestehen: Sie entwickelte sich zeitgerecht. Aber es war auch klar, dass der Herzfehler sie zunehmend einschränkte: immer mehr Kämpfe um die ausreichende Trinkmenge und langsame Gewichtszunahme, bläuliches Verfärben, wenn sie lange schrie, ständige Sorge vor einem schweren zyanotischen Anfall. Ich habe versucht, meiner Angst immer wieder Wissen entgegenzusetzen und mich bestmöglich über den Herzfehler, die Prognosen und darüber, was bei der OP auf uns zukommen wird, informiert. Weil das Herz meiner Tochter zunehmend belastet war, wurde die OP schließlich vorgezogen und im Alter von 6 Monaten durchgeführt.

Im Endeffekt war das ein großes Glück, denn kurz darauf begann Corona und wer weiß, ob die OP dann planmäßig stattgefunden hätte…

Gibt es Träume und Vorstellungen, von denen du dich durch die Diagnose komplett verabschieden musstest? Wie war das für dich?

Ida hat die OP super weggesteckt. Nach etwas mehr als 14 Tagen waren wir wieder aus dem Krankenhaus zuhause. Wahnsinn, wie schnell so ein kleiner Körper sich regenerieren kann! Nach der OP ging unser Leben einfach weiter und es kehrte (abgesehen von der Corona-Pandemie, die begann) wunderbare Normalität in unserer Familie ein. Sie ist jetzt dreieinhalb Jahre alt und ein ganz fittes (immer noch sehr kleines und zierliches) Mädchen. Sie tanzt, sie malt, sie singt, sie springt und rennt. Was ihr an Körpergröße fehlt, gleicht sie mit Willenskraft und Sturheit wieder aus. 

Seid ihr jetzt „durch“ oder stehen noch OPs oder Therapien an? Gibt es Therapien, die dauerhaft bleiben?

Es muss immer noch abgewartet werden, wie die Pulmonalarterie mitwächst und ihr Herz wird immer ein repariertes Herz bleiben. Die Pulmonalklappe ist fehlgebildet und muss wahrscheinlich irgendwann ersetzt werden. Wenn es gut läuft, aber erst im jungen Erwachsenenalter und ohne OP mit Herzlungenmaschine. 100% sicher, dass das Thema Geschichte ist, werden wir nie sein, aber insgesamt können wir mehr als zufrieden sein, wie alles bisher läuft. Es sieht gut aus!

Gibt es etwas, dass du Frauen mit in deiner damaligen Situation mit auf den Weg geben möchtest?

Als ich damals die Diagnose erhielt, suchte ich nach Erfahrungsberichten, Familien, die auch Kinder mit einer Fallot-Tetralogie hatten. Was ich fand, waren vor allem die „schlimmen“ Fälle, bei denen zusätzlich noch andere Diagnosen vorlagen, die OP missglückte, der Herzfehler das Leben stark einschränkte und ich bekam noch mehr Angst.

Was ich Müttern und Vätern gern mit auf den Weg geben würde, ist: Manchmal kommt es nicht zum „worst case“. Manchmal wird auch einfach alles gut! Vertrau auf dein Kind, trau ihm trotz seines Herzfehlers Dinge zu! Beschäftige dich erst mit Problemen, wenn sie Tatsachen sind und lass sie dir nicht schon vorher Energie rauben!

Du berichtest nicht öffentlich über eure Geschichte, wie können interessierte Mamas Kontakt mit dir aufnehmen?

Da es nicht nur meine Geschichte, sondern auch die meiner Kinder ist, berichte ich außerhalb dieses Blogs nicht darüber. Wenn ihr Kontakt aufnehmen möchtet, wendet euch gern an Claudia!


Liebe Linda,

vielen Dank für deinen Bericht! Tatsächlich ist es bei euch so gelaufen, wie es uns damals für den besten Fall auch aufgezeigt wurde! Toll, dass ich deinen – trotz aller Sorgen und Ängste – doch positiven Bericht hier einstellen darf.

Ich gebe dir völlig recht: Meist sind die komplizierten Fälle öffentlich, die Verläufe mit „Umwegen“ und einer Diagnosesammlung. Dabei ist der unkomplizierte und Verlauf wie ihr ihn erlebt hat genauso Realität und macht Mut!

Auch für die Erfolgsgeschichten muss es Platz geben, und den biete ich hier gerne!

Danke!

Wenn ihr weitere Erfahrungsberichte von Herzkind-Eltern lesen wollt, dann klickt doch mal hier!

Kommentar verfassen